Die Macht der Umstände – Angewandte Psychologie für den Berufsalltag

Die Macht der Umstände wird unterschätzt. Ihr großes Potential für Produktivität und Unternehmensentwicklung ist weitgehend unerschlossen. Darum geht es hier. Es geht um angewandte Psychologie.

Vorwort: Nach 54 glücklichen Lebensjahren und mehr als 30 Jahren erfolgreichen Berufslebens lernte ich durch das Lesen eines Buches und die Diskussion mit meiner Tochter (Psychologiestudentin), wie ungerecht und falsch ich über viele Mitmenschen geurteilt habe. Damit habe ich ihnen und auch mir das Leben unnötig schwergemacht. Ich navigierte partiell blind durchs Leben, als Dipl.-Ing. voll auf das Faktische und Technische fokussiert.

Ihr Nutzen: Sehen und empfinden Sie das Verhalten Ihrer Kollegen und Mitarbeiter völlig neu.

Erkennen Sie, wie leicht manipulierbar auch Sie sind. Erkennen Sie rechtzeitig, wenn Sie trotz guter, korrekter Informationsbasis dabei sind, völlig falsche Schlussfolgerungen zu ziehen und schädliche Entscheidungen treffen.

Der vorhergehende Satz wäre für Berufstätige die passende Lektüreempfehlung zum 600-seitigen Buches von Philip Zimbardo, „Der Luzifer Effekt: Die Macht der Umstände und die Psychologie des Bösen“. Auf dieser Webeseite sollen die wesentlichen Inhalte dieses umfangreichen Buches für Manager und Führungskräfte der Wirtschaft kurz und kompakt vermittelt werden. Diese zusammengefassten Inhalte sind die Grundlage, die „Macht der Umstände“ zur Erreichung unternehmerischer Ziele zu nutzen. Sie machen deutlich, welches enorme Potential die positive Entfaltung der Macht der Umstände hat.

Die Macht der Umstände Zimbardo

Die Macht der Umstände wird vor allem am Bösen dokumentiert z.B. Folterungen wie in Abu Ghraib. Umstände schaffen Täter wie auch Helden. Das Buch von P. Zimbardo entschuldigt weder die Straftäter noch schmälert es die Leistung von Helden. Die Buchinhalte wenden sich gegen die Entstehung des Bösen und fördern das Gute.

Der absolute Marktführer bei wissenschaftlichen Unternehmungen der Psychologie

Sie sind ein Unternehmer, der 24 völlig normale, sorgfältig ausgewählte Menschen für zwei Wochen einstellt. Sie bezahlen ihnen $15 pro Tag. Das Arbeitsverhältnis ist beidseitig jederzeit mit sofortiger Wirkung kündbar. Es gibt nur zwei Arten von Stellen und es gibt klare, schriftlich fixierte Regeln für den Unternehmensbetrieb. Die Überwachung der Arbeitsplätze mit Kameras und Mikrofonen ist lückenlos und sichtbar.

Schon nach einem Tag flippt der erste Arbeitnehmer völlig aus. Nach drei Tagen ist die Lage ausser Kontrolle. Und nach sechs Tagen muss das Unternehmen von Aufsichtsorganen aus dem Verkehr gezogen und aufgelöst werden.

Willkommen im Stanford Prison Experiment. Der Unternehmer ist der weltweit bekannte und renommierte Sozialpsychologe Prof. Philip Zimbardo. Das Unternehmen ist ein Kellergeschoss der Stanford Universität, das 1971 zum fingierten Gefängnis gemacht wurde. Die zwei Stellen sind Wärter und Gefangene. Die Wärter hatten einen 8h Tag. Die Gefangenen waren im 24h Bereitschaftsdienst.

Die Geschehnisse in der Unternehmung „Stanford Prison Experiment“ sind so grundlegend und drastisch, daß es bis heute die Referenz schlechthin für die Macht der Umstände ist. Es wurden schon mehrere Filme darüber gedreht. Das Thema ist so hochaktuell, dass Hollywood 2015 die wissenschaftliche Unternehmung „Stanford Prison Experiment“ als neuen Spielfilm realisiert hat. Der Film startet am 27.01.2015 in den deutschen Kinos.

Was ist die Macht der Umstände? Das Beispiel des Stanford Prison Experiment

Um die Handlungen von Mitmenschen zu erklären, verfolgt unsere Gesellschaft eher einen dispositionellen Ansatz. Das heisst, Verhalten wird direkt Veranlagungen wie der Persönlichkeit oder der Werte eines Menschen zugeschrieben. Wenn jemand etwas Böses tut, muss er also böse sein, oder?

Die Forschung des eines der berühmtesten Psychologen unserer Zeit, Prof. Philip Zimbardo, spricht klar gegen diese Annahme. Mit dem Stanford Prison Experiment hat Zimbardo auf eindrückliche und kontroverse Weise gezeigt, dass die Umstände einen viel grösseren Einfluss auf unser Verhalten haben als bisher angenommen.

Trailor Stanford Prison English

Der neueste Spielfilm zum wissenschaftlichen Unternehmung „Standford Prison Experiment“ kommt am 27.1.2016 in Deutsche Kinos. Es ist weit mehr als nur gute Unterhaltung, wenn man die Hintergründe und Mechanismen kennt

1971 wurde ein Kellergeschoss der Stanford University in ein Gefängnis umgebaut. Für die Studie wurden 24 normale, gesunde junge Männer aus 70 Bewerbern rekrutiert. Alle hatten sich gemeldet, für 15 Dollar pro Tag die nächsten zwei Wochen in der Gefängnisattrappe zu verbringen. Die Rollen als Häftlinge und Wärter wurden zufällig unter den Probanden verteilt, es gab also zu Beginn keine Unterschiede zwischen den Gruppen.

Von Beginn an beobachteten die Forscher bei den Wärtern ein Verhalten, welches dem der Wärter in Abu Ghraib erschreckend ähnlich war. Die Gefangenen wurden gedemütigt, schikaniert und körperlich bestraft. Bereits am zweiten Tag brach der erste Aufstand aus. Der erste Häftling hatte nach 36 Stunden in Gefangenschaft einen emotionalen Zusammenbruch und musste infolgedessen entlassen werden. Am vierten Tag brach der nächste Häftling zusammen und wurde entlassen. Am fünften Tag trat ein Häftling in den Hungerstreik. Die Misshandlungen der Wärter eskalierten zunehmend. Deshalb und weil eine junge Doktorandin als einzige beteiligte Person ethische Zweifel äusserte, wurde das Experiment nach nur sechs Tagen abgebrochen.

Die Umstände haben in diesem Experiment zu einer kompletten Bewusstseins- und Identitätsverzerrung geführt. Sie brachten gute Menschen dazu, gegen ihre Prinzipien zu handeln.

Hohe Relevanz für Erfolg von Unternehmen

In der Arbeitswelt bildet das Unternehmen die Umstände für die Mitarbeiter. Die Umstände ergeben sich durch das Zusammenwirken von Organisation, Infrastruktur, Regeln, Formalismen, Auswahl der Kollegen und Vorgabe der Ziele und Arbeitsinhalt.

Das Stanford Prison Experiment hat gezeigt, dass Umstände entgegen unserer Erwartungen mehr Einfluss auf unser Verhalten haben als unsere individuellen Prädispositionen (Charakter/Vorbildung), auf die wir so viel Wert legen.  Das Engagement, die Kooperation und Kreativität eines Mitarbeiters als erstrebenswerte Verhaltensweisen lassen sich damit viel effizienter und bleibender als generell angenommen, über die Gestaltung des Umstände beeinflussen. Die Grenzen von aufwändiger Personalsuche und ausgeklügelten Personalauswahlverfahren lassen sich dadurch erkennen, dass im Stanford Prison Experiment selbst die psychologische Erfahrung einer Eliteuniversität und die vielfältigen, parallel angewandten Testverfahren keine Aussage darüber lieferten, wie sich die „Angestellten“ bei der „Arbeit“ später verhalten würden. Es war nicht vorhersehbar, welches Drittel der Wärter zum Anstifter von Misshandlungen werden würde, welches Drittel zum Mitmacher wurde und welches Drittel der negativen Macht widerstehen und korrekt bleiben würde. Genauso wenig war das Verhalten auf Seiten der Häftlinge vorhersehbar. Es war nicht vorhersehbar, wer schon nach zwei bis drei Tagen komplett ausflippen würde.

SPE Stanford Prison Wärter 1971

Originalfoto eines „Angestellten“ der wissenschaftlichen Unternehmung „Stanford Prison Experiment“. Die Mitarbeiter stammen aus einer Studentenschaft, die durch Flower-Power und Gewaltfreiheit geprägt war. Diese Vorprägung hielt der Macht der Umstände keinen Tag stand.

Aus dem Standford Prison Experiment ergibt sich folgende wichtige Schlussfolgerung für den Erfolg von Personalrekrutierung. Das Scheitern bei  einem Vorarbeitgeber sollte viel weniger als Makel gesehen werden, der zum Ausschluss aus dem Auswahlverfahren führt. Vielleicht wurde dort gerade die starke und integre Kraft aussortiert, welche der Macht der Umstände widerstanden und sich eben nicht angepasst hat. Wenn der neue Arbeitgeber die Macht der Umstände sinnvoll und fördernd einsetzt, kann dieser woanders „Gescheiterte“ zum Outperformer werden, gerade weil er über viel Willenskraft und einen starken Charakter verfügt.

Im Umkehrschluss ist bei High Perfomern, die als Hoffnungsträger eingestellt werden, das Risiko hoch, durch negative Umstände am neuen Arbeitsplatz komplett enttäuscht zu werden. Es gibt am Ende immer eine Anpassung an die Umstände oder eine Kündigung.

Die Effekte von Wahrnehmungsverzerrung

Im Stanford Prison Experiment misshandelten Studenten andere Studenten fortlaufend ohne jeglichen äusseren Druck und ohne ein monetäres Anreizsystem. Nach drei Tagen „Arbeit“ sind in den Augen der Wärter aus netten Kommilitonen verabscheuenswürdige Kreaturen niedriger Ordnung geworden. Von neun Gefangenen waren nach fünf Tagen sechs dazu bereit, auf den gesamten Lohn zu verzichten, wenn man sie nur auf Bewährung entlassen würde. Diese sechs Personen haben komplett ausgeblendet, dass sie jederzeit fristlos kündigen könnten. Sie befinden sich derart unter Stress und sind emotional mit ihrer Rolle verwachsen.

Wenn künftig Mitarbeiter eines normale Unternehmens völlig unerklärliche Dinge tun, sollten die Ursachen in den Umständen gesucht werden. Will ein Unternehmen schädliche und offensichtlich falsche Entscheidungen vermeiden, muss es sinnvolle und fördernde Umstände kreieren. Es muss systematisch für Transparenz und ein kollektives Bewusstsein über die reale Lage gesorgt werden.  Es braucht zur Sicherheit die Kontrolle von unabhängigen, aussenstehenden Personen. Auch Prof. Zimbardo wurde als Chef seiner wissenschaftlichen Unternehmung selbst Opfer der von ihm selbst entfalteten Macht der Umstände. Er erkannte nicht, dass seine Unternehmung schon nach wenigen Tagen komplett aus dem Ruder lief. Er musst durch „Gewalt“ von aussen, d.h. von der Universitätsaufsicht zum Abbruch seines Experiments „gezwungen“ werden. Er selbst kam in diesem Moment nicht zu dieser richtigen Entscheidung. Er wollte weitermachen, obwohl im die Gefangenen wegen mentaler Zusammenbrüche ausgingen. Die Dame, die ihn damals ausbremste, hat er später geheiratet.

Die Macht der Umstände als positive Kraft entfalten:

2ease nutzt deshalb die Macht der Umstände: Wenn jeder durch Umstände zu schlechtem, schädlichem Verhalten gebracht werden kann, bedeutet dies, dass Umstände auch positives Verhalten fördern können. Dieses Potential nutzt 2ease. Es schafft durch Lean Enterprise Engineering Umstände, in denen jeder Mitarbeiter seine Leistung, Kraft und Produktivität optimal entfalten kann. Um es mit den Worten von Philip Zimbardo zu sagen: „Circumstances can force almost anyone to be a bystander to evil, but they can also bring out our own inner hero.”.

 

Quellen:

Zimbardo, P. (2008). Der Luzifer Effekt: Die Macht der Umstände und die Psychologie des Bösen. Heidelberg: Springer Spektrum.

Aronson, E., Wilson, T. D., Akert, R. (2008). Sozialpsychologie. München: Pearson.

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